Tag gegen Gewalt an Frauen 2025
Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema, kein Sonderfall, kein Ausnahmezustand. Sie ist Teil der Realität, die sich jeden Tag in Wohnzimmern, Schlafzimmern, WhatsApp-Chats, Straßen, Familien, Beziehungen abspielt. Oft unsichtbar, oft ungehört, oft viel zu lange viel zu leise. Und gerade deshalb ist sie so gefährlich. Während draußen die Welt weiterläuft und die Straßen gefüllt sind mit ahnungslosen Menschen, kämpfen unzählige Frauen in Deutschland und weltweit. Gewalt beginnt selten laut. Und sie wächst im Schatten.

Wenn wir über Gewalt gegen Frauen sprechen, dann sprechen wir nicht über Einzelfälle. Wir sprechen über Strukturen. Über Macht. Über Rollenbilder. Über gesellschaftliche Muster, die Männer zu Tätern machen können und Frauen zu Gefangenen ihres eigenen Alltags. Zahlen, so trocken sie scheinen, erzählen eine erschütternde Geschichte: Jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens Gewalt. Eine von drei. Was zur Hölle!? Das bedeutet: In jedem Büro, jeder Straßenbahn, bei jedem Elternabend, in jedem Fitnessstudio sitzen Betroffene neben uns. Und viele von ihnen haben nie darüber gesprochen. Weil Scham schwerer wiegt als blaue Flecken. Weil Angst stärker ist als Vernunft. Weil sie gelernt haben, leise zu sein.
Die Töchter-Debatte und wer wirklich „schuld“ ist
Diese Realität wird besonders schmerzhaft sichtbar, wenn politische Debatten versuchen die Angst von Frauen für andere Zwecke zu instrumentalisieren. So geschehen in der viel diskutierten „Töchter“-Rhetorik von unserem werten Herrn Bundeskanzler. Er sprach davon, man müsse „die eigenen Töchter fragen“, und inszenierte damit das Bild vom fremden Mann auf der Straße, der eine Bedrohung darstellt. Es ist ein rhetorischer Trick, der sehr alt ist: Das Schutzversprechen des starken Mannes vor dem unbekannten gefährlichen Feind. Doch die Wahrheit ist: Die größte Gefahr für Frauen ist statistisch gesehen nicht der Fremde im Dunkeln. Auch nicht draußen auf der Straße und auch nicht irgendwelche unbekannten Migranten die scheinbar nicht nur fürs Stadtbild, sondern auch für „Töchter“ schlecht sind, sondern der Partner im eigenen Zuhause. Die meisten Übergriffe passieren nicht zwischen Unbekannten. Es passiert meist zwischen Menschen die sich kennen. Oftmals Menschen, die miteinander leben, die vielleicht sogar einmal miteinander gelacht und sich geliebt haben. Und genau deshalb lenkt die Debatte über „unsere Töchter“ den Blick in die falsche Richtung. Sie dramatisiert das Außen, während das Innen schweigt.
Herr Merz gehört politisch zu jener Generation von Männern, die aktiv gegen zentrale Fortschritte im Bereich der Frauenrechte gestimmt haben. 1997 lehnte er die eindeutige strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigung in der Ehe ab. Es ist heute schwer vorstellbar, dass dies überhaupt je zur Debatte stand: Dass man ernsthaft darüber stritt, ob ein Ehemann seine Frau vergewaltigen könne oder ob die Ehe als Ort des Besitzes und nicht der Selbstbestimmung verstanden werden müsse. Erst Jahre später sagte er, er würde heute anders abstimmen. Aber damals stimmte er bewusst dagegen im Wissen darum, dass es um elementare körperliche Selbstbestimmung ging. 2006 war er dann auch dagegen, dass Frauen in der Ausbildung und im Beruf gleichgestellt sind wie Männer.
Und da frage ich mich: Wie konnte dieser Mensch Bundeskanzler werden? Wählen Frauen ihren eigenen Untergang oder beschäftigen sie sich nicht genug damit?
Ist alles was da schief gelaufen ist längst verjährt? Naja, 2024 erst wollte er die Reform des § 218 StGB verhindern. Der Paragraf sollte dahingehend geändert werden, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche nicht mehr unter Strafe stehen. So signalisierte er damit einmal mehr: Die Rechte von Frauen sind für ihn nicht selbstverständlich. sie sind verhandelbar, diskutierbar, aufschiebbar. Wo es um die Freiheit und Sicherheit von Frauen geht, zeigt sich nicht nur im Alltag, sondern auch in der Politik ein Muster: Frauen sollen geschützt werden, solange der Schutz nicht zu viel Veränderung verlangt. Solange er keine Machtverhältnisse infrage stellt. Solange er patriarchale Rollenbilder nicht stört.

Was tun wir dagegen?
Doch genau das müssen wir tun: Stören. Laut werden! Gewalt gegen Frauen ist kein Thema, das sich durch Empörung, Debatten oder symbolische Sätze lösen lässt. Es verlangt Handlung. Es verlangt Mut. Und es verlangt, dass wir alle – Frauen wie Männer – Verantwortung übernehmen.
Wir brauchen eine neue Kultur des Mutes. Auf beiden Seiten. Frauen brauchen den Mut, sich mitzuteilen, auszusprechen, zu fliehen, Hilfe zu suchen, Grenzen zu ziehen. Männer müssen das Problem endlich erkennen und aktiv dagegen angehen. Und vor allem gewaltbereite Männer brauchen den Mut, ihre Aggressionen, Wut, Unsicherheiten und Machtfantasien nicht in Gewalt zu entladen, sondern in Therapie, Beratung, Reflektion. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich Hilfe zu holen, sondern das Gegenteil: Es ist ein Akt der Stärke. Es ist ein Schritt zu echter Männlichkeit – nicht der Männlichkeit des Dominierens, sondern der Männlichkeit, die Verantwortung übernimmt. Denn Prävention beginnt nicht beim Opfer, sie beginnt beim Täter. Und sie beginnt bei jedem Mann, der bereit ist, sich selbst anzusehen, bevor er andere verletzt. Jeder Mensch der auf diesem Weg unterstützt ist Teil der Lösung.
Ich wünsche mir eine Welt, in der Frauen nicht erst dann laut werden müssen, wenn sie am Ende ihrer Kräfte sind. Eine Welt, in der Männer nicht erst dann Hilfe suchen, wenn etwas eskaliert ist. Und eine Welt, in der politische Entscheidungen die Sicherheit und Freiheit von Frauen stärken, statt sie zu verzögern.
MeToo
Es begann als ein Flüstern von Frauen die zu lange geschwiegen haben. Doch dieses Flüstern wurde zu einem Beben und das Beben wurde zur Bewegung. MeToo war nie einfach nur ein Hashtag. Es war ein Aufschrei, ein Aufstehen, ein kollektives Wiederfinden der eigenen Würde. Millionen Frauen – und Männer – traten aus dem Schatten der alten Machtstrukturen, die jahrzehntelang über ihren Körper, ihre Karriere, ihre Wahrheit bestimmt hatten.
Plötzlich wurde sichtbar, was so oft unsichtbar bleiben sollte: Die Mechanismen des Wegschauens, die Strukturen des Bevorzugens, die kleinen, zermürbenden Grenzverschiebungen, die sich in Büros, Studios, Politik, Medien und Familien eingeschlichen hatten. MeToo zerbrach die Illusion, dass Gleichberechtigung bereits erreicht sei. Stattdessen legte es das Fundament frei. Unsere Strukturen sind brüchig, vermodert, durchzogen von dem, was man höflich „Tradition“ nannte, obwohl es in Wahrheit Bequemlichkeit, Ignoranz und Macht war.
Und während die Welt erschüttert zusah, geschah das Wichtigste von allem: Frauen lernten, sich selbst wieder zu glauben. Sie lernten, dass ihre Erfahrungen nicht „überempfindlich“, „unangenehm“ oder „ein Missverständnis“ waren, sondern real. Und gerechtfertigt. Und wichtig. Die Gesellschaft musste lernen hinzuschauen und zwar nicht nur auf die großen Skandale, sondern auf die kleinen, alltäglichen Momente in denen Respekt entweder wächst oder stirbt.
MeToo war nicht das Ende. Es war der Anfang eines neuen Bewusstseins. Ein Moment in der Geschichte, der klarmacht: Gleichberechtigung ist kein Zustand, sondern ein Kampf. Leider ein Kampf, den wir heute noch nicht im Ansatz beenden können. Dabei wäre es so sehr Zeit, endlich mal Frieden zu stiften.
Und zum Abschluss noch eines: Auch du kennst jemanden, der von MeToo betroffen ist. Falls nicht, jetzt schon. #MeToo.

Was kann man als Betroffene tun?
Und wenn du selbst betroffen bist, vielleicht gerade mitten in einer Situation steckst aus der du keinen Ausweg siehst: Bitte vertrau dich jemandem an. Irgendwem. Einem Menschen, dem du vertraust. Und wenn du niemanden hast oder anonym bleiben möchtest, gibt es sichere Orte und Menschen, die für dich da sind: Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, lokale Frauenhäuser und Beratungsstellen. Du bist nicht allein. Du musst es nicht allein schaffen. Und du musst dich nicht schämen. Lass es nicht noch schlimmer kommen.
Wie schlimm es wirklich ist
Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts zeichnen ein Bild, das härter kaum sein könnte. Im Jahr 2023 wurden 180.715 Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Ein erneuter Anstieg um 5,6 Prozent. Hinter jeder dieser Zahlen steht ein Mensch, ein Zuhause, das kein sicherer Ort mehr war, ein Alltag, der von Angst, Kontrolle oder körperlicher Gewalt geprägt wurde. Die Statistik macht deutlich: Gewalt gegen Frauen geschieht nicht irgendwo, sondern überall in unserer Gesellschaft.
Noch erschütternder ist der Blick auf sexualisierte Gewalt. 52.330 Frauen und Mädchen wurden 2023 Opfer von Sexualstraftaten, ein Plus von 6,2 Prozent. Mehr als die Hälfte der Betroffenen war minderjährig. Es sind Kinder und Jugendliche deren Grenzen gebrochen wurden, bevor sie überhaupt gelernt haben, wo diese Grenzen liegen sollten. Diese Zunahme zeigt, wie dringend Schutz, Aufklärung und Prävention sind und wie weit wir davon entfernt sind von einer sicheren Welt für Mädchen und Frauen zu sprechen. Dazu kommen noch weitere 591 Frauen die dem Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung zum Opfer gefallen sind. Und bei uns geht „Mann“ halt ins Bordell. Ich könnte kotzen.
Auch die digitale Welt ist längst kein Schutzraum mehr. 17.193 Frauen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Cyberstalking, Cybermobbing oder anderen Online-Delikten. Ein massiver Anstieg von 25 Prozent. Gewalt findet heute 24/7 statt, unsichtbar für Außenstehende aber gnadenlos für jene, die betroffen sind. Jede Nachricht, jedes Klingeln, jeder Ping kann zur Bedrohung werden.
Am härtesten trifft jedoch eine Zahl, für die es keine Worte gibt: 938 Frauen und Mädchen wurden 2024 Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, sogenannte Femizide. 360 dieser Taten endeten tödlich. Das bedeutet: Fast jeden einzelnen Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch die Hand eines Mannes. Meist eines Mannes, der behauptete sie zu lieben oder der glaubte, Anspruch auf ihr Leben, ihren Körper oder ihre Entscheidungen zu haben. Diese Zahl steht stellvertretend für all jene Frauen, deren Warnungen niemand hören wollte, deren Angst man nicht ernst nahm, deren Leben man hätte retten können.
All diese Daten zeigen vor allem eines: Gewalt gegen Frauen ist kein Ausnahmefall, sondern ein strukturelles Problem. Und solange wir diese Realität nicht anerkennen, werden wir sie nicht verändern. Doch Veränderung beginnt genau hier: Im Hinschauen, im Aussprechen, im Handeln.
Und dabei rede ich nur von Deutschland. Das ganze Leid was Frauen in Afghanistan, im Iran, im Sudan oder Jemen erleiden müssen, ist wirklich nicht zu ertragen. Jedes Buch, jeder Post, alles was ich darüber erfahren, bringt mich zum weinen. Eines haben alle diese Taten gemeinsam: Sie werden unter den Tisch gekehrt und verschwiegen. Das wird in der Öffentlichkeit so gut wie nie breit getreten. Wir sollten endlich mal darüber reden!
Mein Appel
Dieser Text ist ein Appell an uns alle. Wir dürfen nicht länger warten, bis die Geschichten verstummen. Wir dürfen nicht länger wegsehen, weil es unangenehm ist. Und wir dürfen Gewalt nicht länger als private Angelegenheit behandeln. Sie ist politisch. Sie ist gesellschaftlich. Und sie ist veränderbar.
Veränderung beginnt immer mit einem Schritt. Mit einem Wort. Mit einem Gespräch. Mit einem „Ich brauche Hilfe“. Mit einem „Ich bin da für dich“. Mit einem „Es reicht“.
Heute ist ein guter Tag, diesen Schritt zu gehen. Heute ist ein guter Tag, laut zu werden. Für dich. Für andere. Für die, die noch schweigen. Für die, die schon nicht mehr können. Für die, die es geschafft haben. Für die, die es schaffen werden. Für eine Zukunft in der Frauen nicht nur sicher, sondern frei leben dürfen.

